Im Deutschunterricht bei Frau Stadler wurden die Schüler der Klasse 10aM zu richtigen Schriftstellern. Entstanden sind in den letzten Wochen Kurzgeschichten, die auf jeden Fall lesenswert sind.

Nächtlicher Besucher

Jede Nacht war er da. Kam immer durchs Fenster und legte sich zu mir. Wir redeten oft bis ins kalte Morgengrau, über das, was wir tagsüber erlebten.
Jetzt fühle ich mich so leer. So allein. Zurückgelassen, wie ein vergessener Passagier auf einer Insel.
Wir sind zusammen aufgewachsen und standen uns sehr nah.
Ich wusste alles über ihn – dachte ich zumindest.
Wie jede Nacht wurde um Punkt 1 Uhr mein Fenster geöffnet. Er kam herein, schloss das Fenster hinter sich und legte sich neben mich. Ich spüre seine Wärme. Diese Vertrautheit. Das war für mich immer der schönste Moment des Tages. Ich wusste, warum er das jede Nacht machte. Er hatte sehr strenge Eltern, mit denen er sich nicht Verstand. Sie stritten fast jeden Tag und Gewalt blieb da oftmals nicht aus. Ich war sein Halt. Sein Zufluchtsort.
Ich ließ meinen Blick durchs Zimmer wandern, das mir so groß und laut vorkam. Die Dunkelheit ,die sich darin fing, schien mich zu erdrücken.
Wir redeten nie über seine Eltern oder seine Lebenssituation. Wir redeten über die schönen Dinge, die wir gemeinsam vorhatten. Abhauen. Die Welt sehen. Sich ein neues Leben aufbauen, ohne Gewalt und Ärger.
In dieser einen Nacht jedoch, war es anders. Er erzählte mir von seinen Eltern, ihren Streitigkeiten und über die regelmäßigen Wutausbrüche seines Vaters. Er weinte.
Mir war kalt, als ob der Wind direkt durch mein Zimmer hindurchdringt.
Als er sich beruhigte, sagte er mit gereizter Stimme zu mir:“ Irgendwann werden wir zusammen ein schönes Leben führen. Vielleicht nicht in ein paar Jahren, oder vielleicht nicht in diesem Leben. Aber wir werden mal glücklich. Wir zwei.“
Nach diesen Worten stand er auf, kletterte aus dem Fenster und wurde von der Dunkelheit der Nacht verschluckt.
In der darauffolgenden Nacht kam er nicht. Und auch die nächsten zwei Tage blieben ohne ein Lebenszeichen von ihm bis es plötzlich, 4 Tage später, an mein Fenster klopfte. Er klopfte eigentlich nie. Ich war voller Vorfreude. Er ist wieder da!
Ich stand auf und öffnete das Fenster. Doch als ich es geöffnet hatte, stand mir ein ganz anderer Mann gegenüber. Die Enttäuschung stand mir ins Gesicht geschrieben.
Es war ein älterer Mann mit einem hasserfüllten Blick. Sein Vater.

Tanja Reichel

Etwas ändern

Er kommt von der Arbeit nach Hause. Er ist müde. Erschöpft. Seine Eltern sind im Urlaub. Er hat noch zwei Wochen sturmfrei. Er hat knapp 14 Stunden gearbeitet. Er hat nichts dagegen so lange zu arbeiten. Es macht ihm Spaß. Der Chef und die Kollegen sind chillig drauf, das Arbeitsklima stimmt. Aber einen Monat lang jeden Tag mehr als zwölf Stunden arbeiten ist echt hart. Aber ist Freitag. Morgen kann er ausschlafen. Und nachher geht er noch mit den Jungs feiern. Er macht den Ofen an. Schmeißt seine Arbeitskleidung in die Ecke und geht duschen. Danach schiebt er eine Pizza in den Ofen und sucht sich schon mal Hemd und Hose für später raus. Er nimmt sich noch ein Album mit runter und legt es in die Anlage. Er setzt sich auf die Couch und lauscht der Musik. Er döst ein bis der Wecker für die Pizzaihn aufschrecken lässt. Er holt sich noch ein Bier aus dem Kühlschrank und isst die Pizza. Danach ruft er noch ein paar Leute an, um zu erfahren, wann es losgeht und wer noch kommt. Es heißt nur : “Komm in `ner Stunde zum Domi“. Er setzt sich wieder auf die Couch, genießt sein Feierabendbier und hört weiter den Texten zu. Er erinnert sich an die Zeit, als er das Album rauf und runter gehört hat. Es war eine lustige Zeit. Aber es kommen noch weitere Erinnerungen. Er hat bisher viele Fehler gemacht. Die meisten bereut er auch. Für sein Alter und zwei Augen hat er schon zu viel gesehen. Er hat schon viel durchgemacht. Das Problem an den Fehlern ist, dass er manche schon öfter gemacht hat.

Er weiß, dass er etwas ändern muss.

Er weiß, dass er sich verändern muss.

Er weiß, dass er sein Verhalten ändern muss.

Er weiß, dass er sich bessern muss.

Björn Chrtek

Das Geheimnis

Es ist passiert. Ich habe es getan. Man kann es nicht mehr ungeschehen machen. War es ein Fehler? Ich bin mir nicht sicher. Ich weiß nur, dass ich nicht das Recht dazu hatte. Wie soll ich es den anderen beibringen? Ich würde sofort im Bau landen. Ich sehe nach draußen, in die tiefe Nacht. Es muss mein Geheimnis bleiben, anders geht es nicht. Ich sehe mein Spiegelbild, aber die Person, die in ihm steht, ist nicht dieselbe. Der kalte Wind bläst durch das Zimmer wie ein Schneesturm im Winter. Mein Herz ist zerstört, wie das alte Haus gegenüber. Ich weiß noch ganz genau, wie es gestern passierte. Meine Freundin und ich waren im Park. Man merkte bereits, dass etwas in der Luft war. Dennoch wollten wir uns einen schönen Abend machen. Wir gingen durch den Park und alberten herum, wie das junge Paare so tun. Nach unseren Rundgang durch die Läden der Umgebung setzten wir uns auf die Bank und fütterten Enten. Eine gefühlte Ewigkeit später machten wir uns gemütlich auf den Heimweg. Wir gingen an dem zerfallenen Haus vorbei, als sie plötzlich stehen blieb. Ich wand mich zu ihr und wollte wissen was los sei. Sie streichelte meine Wange und meinte, dass wir Freunde bleiben sollten. Mein Atem stockte. Der Körper war  wie gefroren. Im nächsten Moment packte mich die Wut, wie ein Raubtier auf der Jagd. Ich schrie sie an, ohne jede Kontrolle. Meine Hand griff einen herumliegenden Ziegelstein. Ohne jede Reue, in Wut gehüllt, schlug ich auf sie ein. Wenige Momente später endete dieser Wutanfall und ich konnte wieder klar denken. Der Ziegelstein ging mit mir zu Boden. Mir wurde klar, was ich gerade getan hatte. Ich ging schweigend nach Hause. Nun stehe ich hier, allein und traurig. Ich weiß meine Tat war mehr als falsch und ich bereue sie sehr. Aber ich darf nicht mehr weglaufen. Ich muss mich dem stellen, was ich am meisten fürchte. Ich packe meine Sachen und gehe in die dunkle und düstere Nacht. Das Handy in der einen Hand und die Schaufel in der anderen. Ich wusste ganz genau, was ich tun musste.

Maximilian Weiß

Im Spiegel

Er kommt nach Hause. Er ist müde,k.o. Das Training war hart, aber es tut gut. Er zieht Schuhe, Jacke und Mütze aus, räumt sie auf. Er geht langsam auf das Bad zu. Kommt am Spiegel vorbei. Schaut sich an. Er sieht alles, als ob er einen Film über sein Leben sehen würde. Er sieht seine Fehler, alle Fehler die er gemacht hat. Als er bei der einen Sache angekommen ist, werden seine Knie weich, er weiß, dass er überreagiert hat, dass er nur knapp einem Jugendarrest entgangen ist. Aber sie waren in der Überzahl. Sie haben ihn gemobbt. Auch wenn es ihm egal war. Er hat sie einfach machen lassen und sie ignoriert, bis sie es übertrieben haben. Er erinnert sich an seine Schmerzen, an das Geräusch ihrer brechenden Knochen, an ihre Schreie, einfach an alles! Aber er hat sich doch nur verteidigt, er wollte sie nicht so schlimm verletzen. Er hat nicht über die Konsequenzen nachgedacht. Aber sie haben ihn angegriffen! Er sieht seine Narbe am Arm. Die Narbe von dem Messer, das einer von ihnen gezogen hat. Doch da kommen die wenigen erfreulichen Erinnerungen. Er lächelt.

Björn Chrtek